Lektüre für Nichtleser

von Michael Bukowski im St. Oberholz Verlag

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Miese Medien-Maschen

April 21st, 2010 · No Comments · Lektüre für Nichtleser, Medien, Nichtleser

Nichtleser-Chef Grabowski im Gespräch:

JOURNALIST: Herr Grabowski, Sie sind nach eigenen Angaben Chefautor, Hauptfigur und Marketingleiter in Personalunion bei Lektüre für Nichtleser.
GRABOWSKI: Ganz recht.
JOURNALIST: Sehr ungewöhnlich für einen Unternehmer. Könnte man Sie als Business-Punk bezeichnen?
GRABOWSKI: Liebend gern! Wenn man mich so tituliert, bekomme ich nämlich immer eine ziemliche … Na ja, Sie wissen schon.
JOURNALIST: Wie schaffen Sie es, diese verantwortungsvollen und grundverschiedenen Positionen miteinander zu vereinbaren?
GRABOWSKI: Das ist harte Arbeit, die ich weitgehend von meinem Büro aus in der Burnout-Klinik Havelweide erledige.
JOURNALIST: Verstehe. Und die zahlt sich anscheinend aus, die harte Arbeit.
GRABOWSKI: Allerdings. Die letzten Quartalszahlen weisen ein Wachstum von 112% im operativen Geschäft gegenüber dem Vorjahresquartal aus. Die Aktionäre liegen auf Kuschelkurs mit dem Konzern-Vorstand, also mit mir.
JOURNALIST: Und dennoch schaffen Sie es, das Image der Lektüre für Nichtleser als niedliche, putzige und unabhängige Publikation aus der Berliner Medien-Szene zu erhalten. Wie läßt sich das vereinbaren?
GRABOWSKI: Durch cleveres Marketing. Ich will Ihnen ein Beispiel geben. In den gedruckten Bänden der Lektüre für Nichtleser geben wir eine Auflage von 500 Exemplaren an. Der Käufer denkt dementsprechend, daß er ein rares Exemplar einer Independent-Publikation mit womöglich hoher Wertsteigerungsgarantie erworben hätte. Tatsächlich setzen wir mittlerweise von jedem Band aber rund 500.000 Exemplare ab.
JOURNALIST: Interessant. Aber ist es nicht kontraproduktiv für Sie, diesen kleinen schmutzigen Trick hier in aller Öffentlichkeit zu verraten?
GRABOWSKI: Allerdings. Fällt mir jetzt auch auf, wo Sie es sagen.
JOURNALIST: Und diese Masche reicht also aus, um 500.000 Bücher abzusetzen?
GRABOWSKI: Nein, nein. Als Urheber der einzigen, aber mit Abstand renommiertesten Lektüre für Nichtleser aller Zeiten habe ich natürlich noch ein paar andere medienwirksame Tricks am Start. Da wäre zum Beispiel mein Erscheinungsbild. Landesweit bekannt und in allen Medien omnipräsent ist ja mein knatter-rot gefärbter Schnauzbart, den ich gerne als tiefergelegten, horizontalen Irokesen bezeichne. Das macht mich unverwechselbar und markant.
JOURNALIST: Stimmt. Ist mir auch aufgefallen. Erinnert mich irgendwie an jemanden, komme aber gerade nicht drauf …
GRABOWSKI: Nicht schlecht, was?
JOURNALIST: Joa, wäre persönlich nicht mein Geschmack, aber es geht ja wohl um die Inszenierung.
GRABOWSKI: Genau. Inszenierung ist übrigens das passende Wort für einen weiteren, wichtigen Meilenstein meiner unglaublichen Erfolgsgeschichte.
JOURNALIST: Da bin ich gespannt.
GRABOWSKI: Dank meiner guten Freundschaft zum Chef der Firma Apple konnte ich einen sensationellen Coup landen. Das erzähle ich hier übrigens exklusiv und erstmalig.
JOURNALIST: Na ja, Sie hatten mir ja auch eine Top-Story versprochen.
GRABOWSKI: Sollen Sie haben. Passen Sie auf: Icke habe also die Tage mal bei olle Steve Jobs durchgeklingelt und mit ihm ausbaldowert, daß seine Knallchargen vom App Store unsere Nichtleser-Apps wegen anstößiger Inhalte ablehnen sollten, obwohl die Nichtleser-Texte so unanstößig sind wie ein pädophiler katholischer Priester.
JOURNALIST: Das klingt jetzt aber gar nicht nach Erfolgsgeschichte.
GRABOWSKI: Aber eben gerade! Die Ablehnung von Apple wegen anstößiger Inhalte war genau der richtige Aufhänger, um mich in den Medien als niedliche, putzige, kleine Publikation zu stilisieren, die vom fiesen, bösen, rumhitlernden Apple-Konzern niederträchtigst unterdrückt wurde.
JOURNALIST: Die Medien-Welle liegt mir noch in den Ohren. Ich hatte sogar selbst drüber geschrieben, glaube ich.
GRABOWSKI: Sehen Sie!
JOURNALIST: Und das war abgesprochen? Das heißt aber doch, daß Sie uns alle übel aufs Kreuz gelegt haben.
GRABOWSKI: Exakt.
JOURNALIST: Sie Fuchs!
GRABOWSKI: Das möchte ich meinen. Und meinen Kumpanen Steve Jobs nicht zu vergessen. Dem überweise ich ja jetzt regelmäßig Provision für seinen konspirativen Einsatz.
JOURNALIST: Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Ihnen für diese Nummer die Fresse poliere?
GRABOWSKI: Ja, macht mir etwas aus. Möchte ich nicht, daß Sie mir die Fresse polieren. Aber als kleine Entschädigung könnte ich Sie mit Geld zuscheißen.
JOURNALIST: Gut, so machen wir das! Und haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch.
GRABOWSKI: Na gerne. Und jetzt aber schnell veröffentlichen, hopp, hopp!

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